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Juni bis Dezember 2022

Hintergrund

Für den Betrieb von elektrischen Nutzfahrzeugen ist das Laden am Depot zentral. Angesichts der niedrigen Fahrzeugzahlen ist das Wissen und die Erfahrung über den Aufbau und den Betrieb der Depot-Ladeinfrastruktur sowie der Integration des Ladens in bestehende Logistikprozesse aber noch gering. Die Task-Force „Depotladen“, die im Dezember 2022 abgeschlossen wurde, hat deswegen im Sinne einer Bestandaufnahme zentrale Themenfelder des Aufbaus von nicht-öffentlicher Ladeinfrastruktur analysiert. Absicht war, ein besseres Verständnis für die Rahmenbedingungen des Ladens von schweren Nutzfahrzeugen am Depot zu gewinnen. Neben räumlichen, technischen, energetischen, organisatorischen und rechtlichen Herausforderungen wurden zahlreiche Handlungsbedarfe identifiziert.

Die Task-Force Depotladen ist Teil der Umsetzung des Gesamtkonzeptes klimafreundliche Nutzfahrzeuge des BMDV.

Vorgehen

Ziel der Task-Force war es, den Aufbau der notwendigen nicht-öffentlichen Ladeinfrastruktur für emissionsfreie E-Lkw vorzudenken. Insgesamt nahmen an dem sechsmonatigen Task-Force-Prozess ca. 60 Vertreterinnen und Vertreter aus fast 40 Organisationen und Unternehmen teil. Das Wissen und die praktischen Erfahrungen von Expertinnen und Experten aus Unternehmen der Energie- und Fahrzeugbranche, von Infrastrukturanbietern, Verbänden und der Wissenschaft konnte so in den Prozess mit eingebunden werden. Als besonders hilfreich erwies sich der Rückgriff auf Erfahrungen aus der Elektrifizierung der Busdepots im öffentlichen Nahverkehr.

In mehreren Schwerpunktworkshops wurden relevante Themenfelder für die Planung und den Aufbau von Ladeinfrastruktur auf Betriebsgeländen wie Logistikdepots und -terminals sowie Betriebshöfen von Transportunternehmen diskutiert. Der Task-Force-Prozess wurde durch ein Team des Beratungsunternehmens ifok begleitet.

Sieben Themenfelder für das Depotladen

Ausgangspunkt der Task-Force war die Identifikation von zentralen Themenfeldern, die für den Aufbau von nicht-öffentlicher Ladeinfrastruktur am Depot adressiert werden müssen. Für die identifizierten sieben Themenfelder wurden bei der Auftaktveranstaltung im Juni 2022 offenen Fragen benannt (vgl. Abbildung 1).

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1. Ladetechnik Welche Ladetechnik wird benötigt? Wieviel Ladeleistung braucht es? Welche technischen und räumlichen Restriktionen sind limitierend? Wo müsste das Lade-Inlet am Fahrzeug positioniert sein? Welche Standards und Normen sind zu entwickeln?
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2. Netzanschluss Wie nutzt man bestehende Netzanschlüsse optimal, ohne diese erweitern oder neu herstellen zu müssen? Was ist bei einer Neuplanung des Netzanschlusses zu beachten? Mit welchen Vorlaufzeiten muss man rechnen? Was schafft Transparenz in Bezug auf Netzanschlussverfügbarkeit?
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3. Flotten- und Lademanagement Wie wird der Ladevorgang in das bestehende Flottenmanagement integriert? Welche Datenschnittstellen und Standards müssen noch entwickelt werden, um die Zugänglichkeit auf öffentliche & nicht-öffentliche Ladeorte und dafür notwendige Funktionalitäten zu gewährleisten? Wie werden Lastspitzen vermieden? Wie werden Zielkonflikte zwischen Fahrzeugverfügbarkeit, Anforderungen aus Betriebshof-Energiemanagement und Optimierung der Energiekosten gelöst?
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4. Planung und Betriebshofgestaltung Welcher Platz eignet sich für die Ladeinfrastruktur? Wo stehen die Fahrzeuge? Welche Standzeiten der Fahrzeuge eignen sich zum Laden? Welche langfristige Planung für die Flottenumstellung gibt es und wie denke ich diese bei den Baumaßnahmen mit? Was ist bei der technischen Ausgestaltung eines Betriebshofs zu beachten, auch in Bezug auf neue Anforderungen an den Brandschutz?
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5. Aufbau Ladeinfrastruktur vor Ort Welche Abstimmungs- & Genehmigungsprozesse sind notwendig? Welcher zeitliche Vorlauf wird hierfür benötigt? Wie lässt sich der Aufbau von Ladeinfrastruktur im laufenden Betrieb organisieren? Sind Tiefbauarbeiten notwendig? Sind Fachkräfte und Material verfügbar?
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6. Rechtliche Fragen Was bedeutet es rechtlich, wenn betriebsfremde Fahrzeuge auf dem eigenen Betriebsgelände laden? Kann ich selbsterzeugten PV-Strom für das Laden meiner Fahrzeuge nutzen? Was braucht es zur Teilnahme am Strommarkt? Welche Sachverhalte müssen mit dem Vermieter oder Immobilienbesitzer abgestimmt werden?
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7. Betrieb und Finanzierung Welche Fördermaßnahmen wären für den Aufbau von nicht-öffentlicher Lkw-Ladeinfrastruktur erforderlich? Wie kann ich mit Batteriefahrzeugen und Ladeinfrastruktur (zusätzliche) Einnahmen generieren? Welche Betreibermodelle gibt es für die Ladeinfrastruktur?

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Herausforderungen und Handlungsbedarf – Ergebnisse der Task Force

Die Logistik ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Nutzungsszenarien und Einsatzzwecken. Diese Vielschichtigkeit führt neben standortspezifische Faktoren zu sehr individuellen Bedingungen auf Betriebsgeländen und Logistikdepots. Gerade in der aktuellen frühen Marktphase braucht es bei der Integration der Fahrzeuge und dem Aufbau der Ladeinfrastruktur jeweils eine konkrete Prüfung zur technischen, räumlichen, energetischen und betriebswirtschaftlichen Realisierbarkeit vor Ort.

Trotz dieser individuellen Bedingungen lassen sich übergeordnete Herausforderungen und Handlungsbedarfe identifizieren. Im Rahmen des Task-Force Prozesses wurden folgende zentrale Herausforderungen für den Aufbau von nicht-öffentlicher Ladeinfrastruktur auf Betriebsgeländen durch die Expertinnen und Experten ermittelt:

  • Bei der Erstellung eines Ladekonzeptes zur Identifikation einer passenden Ladelösung für die elektrischen Nutzfahrzeuge müssen eine Vielzahl an Parametern berücksichtigt werden (u.a. Energieverbrauch bei Umläufen, Standzeiten, Ladeleistung, Gleichzeitigkeitsfaktor, andere Verbraucher auf Betriebshof).
  • Fläche ist ein knappes Gut auf Betriebsgeländen und Logistikdepots. Für Ladeinfrastruktur und Nebenanlagen (Leistungselektronik, Transformator) muss Platz gefunden werden.
  • Angesichts des hohen Strombedarfs für das Laden von E-Lkws stellt sich die Frage, wie bestehende Netzanschlüsse durch ein entsprechendes Last- und Lademanagement optimal genutzt werden können. Falls der Netzanschluss erweitert werden muss, sind frühzeitige und langfristige Absprachen und Planungen mit dem Netzbetreiber notwendig.
  • Den meisten Logistikunternehmen fehlt es an Erfahrungen im Energiebereich. Die Kompetenz in Energiefragen braucht es aber für den Einsatz von E-Lkw und den Aufbau von Ladeinfrastruktur.
  • Trotz vorhandener Standards und Normen gibt es an den Schnittstellen zwischen Fahrzeug, Ladeinfrastruktur und Backend bestehende Interpretationsspielräume bei der technischen Auslegung der Standards und Normen (z.B. Interpretationen von Time-Outs).
  • In die Tourenplanung müssen neue Parameter integriert werden (u.a. Ladezustand, Ladedauer, Energieverbrauch). Es kann zu Zielkonflikten mit bisherigen Optimierungsroutinen und der bestehenden Flexibilität im Fahrzeugeinsatz kommen. Evtl. ist eine strukturelle Umstellung der Fahrzeugdisposition notwendig (z.B. Entkopplung von Fahrzeug und Ladung).
  • Es fehlt an Datenschnittstellen und -zugänglichkeit im Hinblick auf die kommenden unterschiedlichen öffentlichen und nicht-öffentlichen Ladeorte und die gewünschten Funktionalitäten (u.a. Reservierbarkeit, Authentifizierung). Zudem fehlt es im Telematikbereich an Standardisierung.
  • Die energierechtlichen Fragen, die mit dem Aufbau und Betrieb der Ladeinfrastruktur am Depot verbunden sind, sind komplex und stoßen auf eine Vielzahl von Anwendungsfällen und Fallkonstellationen.
  • Es fehlt an einheitlicher Definition und rechtsicheren Behandlung von zentralen Begriffen („Letztverbraucher“) und Gegenständen („Ladestrommengen“) in maßgeblichen Regelwerken.
  • Aufbau von Ladeinfrastruktur an Logistikimmobilen ist zustimmungspflichtig durch den Vermieter. Am Ende des Mietvertrages besteht regelmäßig eine Rückbauverpflichtung für die Ladeinfrastruktur.

Aus dem im Prozess identifizierten Herausforderungen sind 23 Handlungsbedarfe in den verschiedenen Themenfeldern abgeleitet worden. Abbildung 2 gibt einen Überblick zu den wichtigsten Handlungsfeldern.

Flexible Ladelösungen entwickeln Da die Bedingungen an Logistikdepots sehr individuell sind, gilt es flexible Ladelösungen für diese unterschiedlichen Anforderungen zu entwickeln
Interpretationsspielräume bei Standards und Schnittstellen schließen Für das unterbrechungsfreie Laden müssen Interpretationsspielräume bei der Auslegung von Standards und Normen an den Schnittstellen zwischen dem Fahrzeug, der Ladeinfrastruktur und dem Backend geschlossen werden. Die Verständigung zur Auslegung der Interpretationsspielräume sollte hersteller- und anwendungsübergreifend erfolgen
Verständigung über Nutzung und Auslegung Kommunikationsstandards Für den Austausch von Daten und der Bestimmung von Mehrwertdiensten (z.B. „Scheduled Charging“) ist eine Verständigung über Nutzung und Auslegung von Kommunikations-standards erforderlich
Information & Beratung zu Ladekonzept & Energie Etablierung von Informations- und Beratungsangeboten für Logistikunternehmen zur Erstellung von Ladekonzepten und relevanten Energiethemen im Bereich der Ladeinfrastruktur
Anreize für vorrausschauenden Netzausbau schaffen Vor dem Hintergrund des erheblichen Strombedarfs für das Laden von schweren Lkw an Depots sowie der Dynamik des Aufbaus von nicht-öffentlicher Ladeinfrastruktur auf Betriebsgeländen sollten Anreize für den vorausschauenden Netzausbau („Bevorratung“) rechtlich ermöglicht werden
Transparenz bzgl. Netzanschlussverfügbarkeit Erhöhung der Transparenz bei Informationen zur bestehenden lokalen Netzanschlussverfügbarkeit bzw. vereinfachte und schnellere Bearbeitung von Auskunftsersuchen bei Netzbetreibern
Studie: Ladehubs in Gewerbegebieten Durchführung einer Studie zu den Rahmenbedingungen, Vorteilen und Herausforderungen der Errichtung von geteilten oder öffentlichen Ladehubs in Gewerbegebieten
Systematisierung Logistik Erstellung einer Studie zur Systematisierung von Logistikbereichen sowie deren Distributionsstrukturen und dazugehörigen typischen Betriebsflächen, um ein besseres Verständnis für die Rahmenbedingungen beim Aufbau von Ladeinfrastruktur an Depots zu erlangen
Datenverfügbarkeit und universelle Schnittstellen Bereitstellung von Daten und Schnittstellen für die Routen- und Tourenplanung zur Verfügbarkeit von öffentlicher Ladeinfrastruktur
Entwicklung Funktionalitäten Tourenplanung Um das Laden an öffentlicher und nicht-öffentlicher Ladeinfrastruktur verlässlicher und einfacher zu machen, sind neue Funktionalitäten für die Tourenplanung (u.a. Reservierung, Authentifizierung) zu entwickeln
Wissensaufbau zu Planungs- & Abstimmungsprozessen Erarbeitung und Bereitstellung von Wissen zu Planungs- und Abstimmungsprozessen, die mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur an Depots einhergehen
Austausch von „Best Practices“ Schaffung eines Forums für Anwender zum Austausch von „Best Practices“ beim Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur in der Logistik
Abstimmung Positionierung Ladeanschluss Austausch zwischen Logistikunternehmen und Fahrzeugherstellern zu den spezifischen Bedingungen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur an Logistikdepots und einer passenden Positionierung des Lade-Inlets am Fahrzeug (oder ggf. Anhänger)
LIS bei Planung neuer Logistikimmobilien mitdenken Vor dem Hintergrund der zukünftigen Dimension und Dynamik der Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs sollte Ladeinfrastruktur bei der Ausstattung und Gestaltung von neuen Logistikimmobilien mitgedacht werden
Entwicklung von Brandschutzkonzepten Entwicklung von erweiterten Brandschutzkonzepten für Betriebshöfe, die neue Brandlasten durch E-Lkw und Ladeinfrastruktur (Batterie, Leistungselektronik, Kabel) mit einbeziehen
Praxisleitfaden Recht Um die Vielzahl der rechtlichen Anforderungen besser beleuchten und verstehen zu können, wird ein Praxisleitfaden erstellt, der die energierechtliche Komplexität auf konkrete praxisrelevante Anwendungsfälle herunterbricht
Rechtliche Rahmenbedingungen Ladestrom Schaffung einer einheitlichen und “rechtssicheren“ Behandlung von Ladestrom im Rahmen energierechtlicher Kostenprivilegierungen
Vereinheitlichung Rechtsbegriffe Vereinheitlichung und Ausdifferenzierung unterschiedlicher Rechtsbegriffe (z.B. „Letztverbraucher“) in relevanten Regelwerken
Eichrechtskonforme Technik Entwicklung eichrechtskonformer Technik über die gesamte Messkette (auch Backend) hinweg, um Anforderungen des Eich- und Messrechtes bei Weitergabe von Ladestrom an Dritte zu erfüllen
Rolle von Stromspeichern bei Teilnahme Strommarkt Klärung der Rolle von Stromspeichern bei der Teilnahme am Regelenergiemarkt, um eine Doppelbelastung bei der Stromsteuer zu vermeiden
Rechtliche Voraussetzungen bidirektionales Laden Neben technischen und wirtschaftlichen Bedingungen auch die Schaffung von rechtlichen und steuerlichen Voraussetzungen, um bidirektionales Laden zu ermöglichen. Anpassungen bei diversen relevanten Gesetzen notwendig, um u.a. E-Fahrzeugen als mobile Speicher anzuerkennen
Festlegung Schätzwert für E-Lkw für THQ-Quote Festlegung von Schätzwerten für schwere Nutzfahrzeuge im Rahmen der Anrechnung von Fahrstrom im Treibhaus-Quotenhandel
Förderprogramm für Lkw-LIS an Depots Entwicklung von Finanzierungs- und Fördermaßnahmen für nicht-öffentliche Ladeinfrastruktur an Depots, Betriebsgeländen, Umschlagpunkten und Gewerbegebieten ergänzend zu dem bereits bestehenden KsNI-Förderprogramm

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Ausblick – Masterplan Ladeinfrastruktur II, Praxisleitfaden und Erprobungsprojekt

Mit der Task-Force Depotladen ist eine erste wichtige Bestandaufnahme für den Aufbau von nicht-öffentlicher Ladeinfrastruktur für schwere Lkw auf Betriebsgeländen und an Depots erbracht worden. BMDV, NOW und die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur planen den nun gestarteten Prozess weiter kontinuierlich und praxisnah voranzutreiben. Format und zukünftige Beteiligung von Stakeholdern sind dabei abhängig vom jeweiligen Themenfeld. Eine große Anzahl der in der Task-Force identifizierten Handlungsbedarfe wird auch in unterschiedlichen Maßnahmen des Masterplans Ladeinfrastruktur II adressiert und in diesem Rahmen umgesetzt.

Die Erkenntnisse der Task-Force fließen in einen Praxisleitfaden zum Depotladen ein, der in Q2/2023 veröffentlicht wird. Wichtige Erkenntnisse für die in der Task-Force aufgeworfenen Fragestellungen zum Laden schwerer Nutzfahrzeuge am Depot werden zudem die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und insbesondere die praktische Erprobung im Rahmen eines zukünftigen, vom BMDV geförderten Erprobungsprojektes zum Thema liefern (Start in Q2/23).

Bei Fragen und für weitere Informationen zum Task-Force-Depotladen-Prozess wenden Sie sich bitte an: nutzfahrzeuge@now-gmbh.de.