Klimaziele im Verkehr erreichen: Wege zur Elektrifizierung schwerer Nutzfahrzeuge und zum Einsatz alternativer Kraftstoffe
Arbeitsgruppe 1
Der Straßengüterverkehr ist für knapp ein Drittel der inländischen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Damit dieser Sektor seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten kann, sind weitere Maßnahmen erforderlich. Insbesondere bei der Elektrifizierung des schweren Güterverkehrs als auch bei der Erschließung der Potenziale fortschrittlicher biogener und strombasierter Kraftstoffe zeigt sich ein deutlicher Handlungsdruck. Zwei neue Berichte der Arbeitsgruppe 1 „Klimaschutz im Verkehr“ der NPM nennen Wege, wie der Markthochlauf elektrifizierter schwerer Lkw gefördert und die kontroverse Diskussion um den Einsatz alternativer Kraftstoffe vorangebracht werden kann.
„Ziele allein sparen kein CO2, sie müssen in konkretes Handeln und Instrumente umgesetzt werden, um Wirkung zu entfalten und Skalierung zu ermöglichen,“ sagte Franz Loogen, Leiter der AG 1 und Geschäftsführer der Landesagentur e-mobil BW bei der Vorstellung der beiden AG 1-Berichte im NPM-Lenkungskreis. „Instrumente sind immer mit Blick auf Wechselwirkungen auf das gesamte Verkehrs- und Wirtschaftssystem zu betrachten. Die beiden Berichte zeigen anschaulich, welche regulativen und technischen Instrumente vorhanden sind, um mehr saubere Nutzfahrzeuge auf die Straße und mehr saubere Kraftstoffe an die Lade- oder Tanksäule zu bringen. Zugleich werden unterschiedliche Einschätzungen zu den Einsatzorten der Fahrzeuge und Kraftstoffe sowie deren Klimaschutzbeitrag kenntlich gemacht. Nur wenn die unterschiedlichen Einschätzungen der Mitglieder der AG 1 transparent dargestellt werden, haben die politischen Entscheidungsträger das ganze Bild und können die richtigen Entscheidungen treffen,“ so Loogen weiter. „Schnelle Entscheidungen sind erforderlich, um die gesetzlich verankerten Klimaziele 2030 erreichen zu können.“
Ein Drittel elektrische Fahrleistung bei schweren Lkw erreichen
Gut die Hälfte aller Emissionen im Nutzfahrzeugbereich stammen von schweren Lkw, die oft im Fernverkehr eingesetzt werden. Im Klimaschutzprogramm 2030 ist das Ziel genannt, ein Drittel der Fahrleistung zu elektrifizieren. Allerdings existieren für den schweren Güterverkehr kaum marktreife Technologien und die Logistikbranche ist gekennzeichnet von einer großen Heterogenität an Fahrzeugtypen und Einsatzprofilen und agiert darüber hinaus in einem harten internationalen Wettbewerb. Im Bericht wurden daher die drei möglichen Technologiepfade - batterieelektrischer Antrieb (BEV), Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (H2BZ) sowie Oberleitungs-Hybrid (OH) – deren Marktfähigkeit und die dafür notwendigen politischen Instrumente analysiert.
Es wurden Berechnungen zu Total Cost of Ownership (TCO, Gesamtkosten des Betriebs), volkswirtschaftlichen CO2-Vermeidungskosten angestellt und weitere Parameter wie grenzüberschreitende Kompatibilität, Existenz von Ladeninfrastruktur im In- und Ausland betrachtet. Mit dem Ergebnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Fokussierung auf einen einzigen Technologiepfad empfohlen werden kann. Dies kann jedoch mittelfristig sinnvoll sein, damit die technische Machbarkeit beschleunigt und erforderliche Investitionen optimiert werden können. Entsprechend sollte im Jahr 2023 erneut eine Gesamtschau über den Entwicklungsstand der drei Technologien erfolgen.
Staatliche Instrumente können den Markthochlauf elektrischer Nutzfahrzeuge signifikant beeinflussen. Daraus ergeben sich für alle drei Technologiepfade verschiedene Handlungs-empfehlungen. Sie umfassen die Förderung der Anschaffungskosten, den schnellen Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur für batterieelektrische und H2BZ-Lkw, die Oberleitungsinfrastruktur für OH-Lkw sowie geförderte Praxistests für OH-Lkw auf Pendelstrecken. Eine intensivere Forschung & Entwicklung im Hinblick auf die technologische Reife und Kostensenkung bei H2BZ-Lkw, Klärung von Normungs- und Standardisierungsfragen, die Nutzung einer CO2-gespreizten Maut sowie die Beeinflussung von Energiekosten werden angeraten.
Konsequentes und zügiges Handeln sind essenziell, um eine oder mehrere Technologieoptionen bis Mitte der 2020er Jahre technisch, organisatorisch, sozialverträglich und wirtschaftlich marktfähig zu machen. Dies wäre notwendig, um alternative Antriebe im Nfz-Bereich bis Ende des Jahrzehnts zügig zu skalieren und in den Markt zu integrieren. Zu berücksichtigen sind zudem weitere Ansätze zur Dekarbonisierung des schweren Güterverkehrs wie die Optimierung von Lkw-Ausstattungskomponenten und Trailern oder die Förderung von Verlagerung und kombiniertem Verkehr (KV).
Klimawirkungen und Wege zum Einsatz alternativer Kraftstoffe
Zu den alternativen Kraftstoffen gehören strombasierte (Power-to-X, PtX) und fortschrittliche biomassebasierte Kraftstoffe. Der Bericht beleuchtet ihre verschiedenen Herstellungsverfahren im Hinblick auf Marktreife und Nutzungsmengen sowie notwendige Nachhaltigkeitskriterien.
Im Grundsatz existieren unterschiedliche Auffassungen, in welcher Höhe und in welchen Einsatzbereichen alternative Kraftstoffe zur CO2-Reduktion im Verkehrssektor beitragen können und sollen. Meinungsunterschiede bestehen unter anderem bei der Frage der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien im globalen Maßstab und besonders bei der Frage, ob strombasierte Kraftstoffe im Straßenverkehr eingesetzt werden sollen oder nicht.
Durch die Entwicklung zweier Fahrpläne zu biomasse- und strombasierten Kraftstoffen werden technologisch möglichen Schritte für den Aufbau industrieller Erzeugungswege nachhaltiger biogener Kraftstoffe, auf erneuerbarem Strom basierender Kraftstoffe und grünen Wasserstoffs auf der Zeitachse visualisiert. Handlungsbedarfe und Abhängigkeiten werden in technologischer Hinsicht aufgezeigt: Bei einzelnen Technologien (z. B. Elektrolyseure, Direct Air Capture) und der großtechnischen Systemintegration von Produktionsanlagen sind noch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten erforderlich. Nach jetziger Einschätzung ist daher auch mit Blick auf die Dauer von Planungsverfahren erst in der zweiten Hälfte der Dekade mit einem Hochlauf der Produktion im industriellen Maßstab zu rechnen. Die Produktion und die Nutzung fortschrittlicher biogener Kraftstoffe sind aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit der biogenen Ausgangsstoffe und aufgrund von Nutzungskonkurrenzen nicht beliebig steigerbar. Die Prognosen der Herstellungskosten bei strombasierten Kraftstoffen im Jahr 2030 variieren deutlich und zeigen ein signifikant höheres Kostenniveau als fossile Kraftstoffe.
Über staatliche Instrumente wie Förderungen, Quoten, Ausschreibungen und einen CO2-Preis sowie die Ausgestaltung des Steuer- und Abgabesystems könnten Pilotanlagen sowie Investitionsentscheidungen für einen Hochlauf alternativer Kraftstoffe angereizt werden. Um die erforderlichen privatwirtschaftlichen Investitionen auszulösen, müssen die Instrumente verlässlich und über einen für die Investition angemessenen Zeitraum planbar sein. Die Diskussion über ein geeignetes Instrumentenset wurde in der AG 1 kontrovers geführt, so dass je nach Grundposition verschiedene Instrumentenkombinationen favorisiert werden.
Die NPM empfiehlt als Grundlage ambitionierte, langfristige und verbindliche Nachhaltigkeits-kriterien für die Produktion strombasierter und fortschrittlicher biogener Kraftstoffe zu formulieren und umzusetzen. Die Forschung soll gezielt darauf ausgerichtet werden, die Skalierung von Technologien einschließlich ihrer möglichst kurzfristigen Kostensenkungen zu unterstützen. Auch ein Markteinführungsprogramm für größere Anlagen der 10.000 Tonnen Klasse pro Jahr ist für den Hochlauf strombasierter flüssiger Kraftstoffe (Power-to-Liquid, PtL) essenziell. Zudem sollen internationale Kooperationen und Partnerschaften politisch unterstützt und gefördert werden. Der globale Ausbau zusätzlicher erneuerbarer Stromerzeugungskapazitäten ist Voraussetzung für die Klimaschutzwirkung von PtX-Kraftstoffen.
Beide Berichte stehen ab sofort auf der NPM-Website www.plattform-zukunft-mobilitaet.de zum Download zur Verfügung.
Über die NPM – Nationale Plattform Zukunft der Mobilität
Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität bringt Experten aus Politik, privatem Sektor, Verbänden, Forschungseinrichtungen und NGOs zusammen, um Konzepte für eine nachhaltige, umwelt- und klima-gerechte, bezahlbare und wettbewerbsfähige Mobilität in Deutschland zu entwickeln. Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Henning Kagermann erarbeiten sechs Arbeitsgruppen technologieneutral verkehrsträger-übergreifende Handlungsempfehlungen an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Kontakt:
Alexandra Huß
Referentin Kommunikation
Büro des Vorsitzenden der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität
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