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Juni bis Dezember 2021

Hintergrund

Die Herausforderungen beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für schwere, batterieelektrische Nutzfahrzeuge sind zahlreich. In der im Dezember 2021 abgeschlossenen Task-Force „Backcasting – Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge“ wurden zentrale Aufgaben für den Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur für schwere Lkw analysiert. Neben erforderlichen Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsvorläufen wurden mögliche kritische Pfade und Umsetzungshemmnisse identifiziert.

Die Task-Force Backcasting ist Teil der Umsetzung des Gesamtkonzeptes klimafreundliche Nutzfahrzeuge des BMDV.

Vorgehen

Ziel der Task-Force war es, den Aufbau der notwendigen öffentlichen Ladeinfrastruktur für emissionsfreie E-Lkw im Fernverkehr vorzudenken. Insgesamt nahmen an dem sechsmonatigen Task-Force-Prozess ca. 80 Vertreterinnen und Vertreter aus insgesamt 40 Organisationen und Unternehmen teil. Das Wissen und die praktischen Erfahrungen von Expertinnen und Experten aus Unternehmen der Energie- und Fahrzeugbranche, von Infrastrukturanbietern, Verbänden, Ministerien, Behörden und der Wissenschaft konnte so in den Prozess mit eingebunden werden.

In mehreren Schwerpunktworkshops wurden relevante Themenfelder und Aufgaben für den Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur im Lkw-Fernverkehr benannt sowie Herausforderungen und Handlungsbedarfe identifiziert. Der Task-Force-Prozess wurde durch ein Team des Beratungsunternehmens ifok begleitet.

Acht Themenfelder für den öffentlichen Ladeinfrastrukturaufbau im Fernverkehr

Ausgangspunkt der Task-Force war die Identifikation von Aufgaben, die beim Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur an der Autobahn bzw. an autobahnnahen Flächen adressiert werden müssen. Für jedes Themenfeld wurden die wichtigsten offenen Fragen benannt. Diese Aufgaben wurden in acht Themenfelder eingeordnet (vgl. Abbildung 1).

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1. Bedarfs- und Aufbauplanung Ladeinfrastruktur Wann müssen wo und wie viele Ladesäulen für E-Lkws aufgebaut werden? Wie groß muss ein initiales Netz an öffentlicher Ladeinfrastruktur im Fernverkehr aussehen? Wie lassen sich Markthochlauf von Nutzfahrzeugen und der Aufbau der Ladeinfrastruktur in Einklang bringen?
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2. Standardisierung von Lade- und Fahrzeugtechnik Welche Aspekte müssen im Gesamtkontext MCS standardisiert werden (Stecker, Ladeverfahren, Kommunikation, etc.)? Bis wann wird der MCS-Standard in Kraft sein? Wodurch könnten sich Verzögerungen ergeben? Kann der Prozess beschleunigt werden?
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3. Rechtliche Rahmenbedingungen (Lenk- und Ruhezeiten) Was sind die genauen gesetzlichen Vorgaben und sind sie veränderbar? Ist das Laden Arbeitszeit? Darf das Fahrzeug während der Fahrtunterbrechung bzw. Ruhezeit bewegt werden? Welche unterschiedlichen Ladeszenarien ermöglichen die bestehenden gesetzlichen Vorgaben?
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4. Betrieb und Finanzierung Wie kann der vorausschauende Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für E-Lkw finanziert werden? Wie unterscheiden sich Optionen für Förder- und Finanzierungsprogramme zwischen den Lade-Use-Cases und Standorttypen? Welche Optionen kommen für den Betrieb in Frage?
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5. Anforderung Standortausstattung Welche Ausstattung sollten Standorte bieten, an denen zwischengeladen beziehungsweise über Nacht geladen wird? Wie sehen Zugang und Authentifizierung aus? Welche Anforderungen haben die Fahrerinnen und Fahrer?
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6. Flächenverfügbarkeit/-akquise Bereits heute sind Parkflächen für Lkw knapp. Wie verändert sich die Parkplatzsituation durch den Aufbau von Ladeinfrastruktur? Was für Flächen kommen infrage und wie werden diese identifiziert? Welche Schritte sind für die Flächenakquise notwendig?
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7. Netzanschluss Welche generellen Herausforderungen und Handlungsbedarfe gibt es? Wie wird das Verhältnis zwischen Hoch- und Mittelspannungsanschlüssen sein? Wie wirken Pufferspeicher und Lademanagement auf den Netzausbau? Welcher Vorlauf wird typischerweise jeweils benötigt?
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8. Aufbau Ladeinfrastruktur am Standort Welche Teilprozesse fallen beim Aufbau eines Standorts an und welche Abhängigkeiten bestehen? Mit welchen Genehmigungszeiten muss gerechnet werden und wie sind diese zu beschleunigen?

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Herausforderungen und Handlungsbedarf – Ergebnisse der Task Force

Im Task-Force Prozess gelang es die jeweiligen Ausgangsituationen, Zusammenhänge, Herausforderungen und Handlungsbedarfe zu erfassen. Die Benennung zeitlicher Vorläufe für Planung, Genehmigung und Umsetzung für jedes der acht Themenfelder kann erst auf dieser Basis sowie nach der Sammlung weiterer praktischer Erfahrungen erfolgen. Folgende zentralen Herausforderungen für den Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur im Fernverkehr wurden durch die Expertinnen und Experten ermittelt:

  • Bereits heute ergeben sich Engpässe an Abstellmöglichkeiten für Lkw an und im Umfeld der Autobahnen. Die eingeschränkte Flächenverfügbarkeit an Rastanlagen erschwert den erhöhten Flächenbedarf beim LIS-Aufbau.
  • Um Flächen zu akquirieren bzw. um den Aufbau von Lkw-Ladeinfrastruktur zu planen und umzusetzen sind Ausbauszenarien für ein (initiales) Ladeinfrastrukturnetz zu entwickeln. Für die Vielzahl an zukünftigen Standorten sind Musterlayouts für unterschiedliche Standorttypen (Neubau Rastanlage, Umbau Rastanlagen, Autohöfe, sonstige autobahnnahe Flächen) zu entwickeln.
  • Der mit dem Aufbau von Ladeinfrastruktur für E-Lkw einhergehende zusätzliche Strombedarf wird bei der Netzplanung heute nicht mitgedacht. Netzbetreiber sollten weiter sensibilisiert und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Anreize für den vorausschauenden Netzausbau („Bevorratung“) sind zu schaffen.
  • Anforderungen und Genehmigungsprozesse sind möglichst zu vereinheitlichen, um Aufbauzeiten einzelner Standorte zu reduzieren
  • Die Bedarfsplanung zur öffentlichen Ladeinfrastruktur für E-Lkw ist auf belastbare Zahlen zum Markthochlauf der Fahrzeuge angewiesen. Zu klären sind zusätzlich auch das Verhältnis von Übernacht- (CCS) und Spontanladen (MCS) im Fernverkehr sowie die Verteilung von öffentlichen Laden und Depotladen.
  • Es ist offen, ob der MCS-Normungs- bzw. Standardisierungsprozess zuverlässig bis Ende 2024 final abgeschlossen wird. Ohne fixierte technische Anforderungen kann der Aufbau von MCS-Schnelladeinfrastruktur nicht gefördert werden.
  • Um den Ladevorgang ohne zusätzlichen Zeitaufwand in bestehende Logistikprozesse integrieren zu können, bedarf es einer hohen Verlässlichkeit beim Laden (Verfügbarkeit Ladeplatz, zuverlässige Ladeleistung) und der Ladevorgang muss sich in gesetzlich vorgegebene Ruhezeiten und Fahrtunterbrechungen integrieren lassen.

Aus dem im Prozess identifizierten Herausforderungen sind über 30 Handlungsbedarfe in den verschiedenen Themenfeldern abgeleitet worden. Abbildung 2 gibt einen Überblick zu den wichtigsten Handlungsfeldern.

Anteil MCS zu CCS Um Bedarfsplanung zu detaillieren, ist im Zeitverlauf das Verhältnis von Übernacht- (CCS) und Spontanladen (MCS) im Fernverkehr zu klären
Use Cases entwickeln Lade-Use-Cases identifizieren, um „Use-Case-Landschaft“ für Nutzfahrzeuge zu entwickeln
Abgleich Pkw Planung Planungen zum Ladeinfrastrukturaufbau für Nutzfahrzeuge mit den Analysen zur Pkw-Ladeinfrastruktur koppeln, insbesondere in Bezug auf das Thema Netzanschluss Analyse zu Pause- und Ladezeiten Stand- und Pausenzeiten von Nutzfahrzeugen im Fernverkehr analysieren, um Abschätzungen zu möglichen Ladezeiträumen vorzunehmen
Cleanroom-Gespräche Durchführung von sogenannten „Cleanroom“-Gesprächen mit Fahrzeugherstellern, um mit Hilfe der geplanten Produktions- und Absatzzahlen übergeordnete Annahmen zur Bedarfs- und Aufbauplanung zu validieren Interdependenzen zum Depotladen Bedeutung des Depotladens für den Betrieb von elektrischen Nutzfahrzeugen und die Verteilung von öffentlichen Laden und Depotladen klären
Intensivierung Mitwirkung Industrie bei Normungsaktivitäten Intensivierung der Mitwirkung nationaler Expertinnen und Experten an internationalen Normungsaktivitäten, um die MCS-Standardisierungsprozesse zu beschleunigen Politische Unterstützung für Beschleunigung Standardisierung Allgemeine politische Unterstützung der MCS-Standardisierungsprozesse und Hinwirkung auf dessen Beschleunigung
Test- und Versuchskapazitäten bereitstellen Prüfung, inwiefern technische Test- und Versuchskapazitäten zur Verfügung gestellt werden können, um im Rahmen des Standardisierungsprozesses notwendige Test zeitnah durchführen zu können
Umgang mit Lenk- und Ruhezeiten Vor dem Hintergrund gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten und vorgegebener Fahrtunterbrechungen klären, wie sich der Ladevorgang in bestehende Logistikprozesse integriert
Betreibermodelle (HoLa-Projekt) Konzepte für die Bereitstellung und Finanzierung von Aufbau und Betrieb eines initialen Netzes an öffentlicher Ladeinfrastruktur entwickeln
Ladevarianten klären Positionierung des Ladeanschlusses am Fahrzeug definieren und Möglichkeiten der Anordnung von Ladeinfrastruktur klären (z.B. Ladesäule oder Ladebrücke), um standardisierte Standortplanungen vornehmen zu können
Input für Musterlayout Als Input für das Musterlayout (vgl. Themenfeld 6 „Flächenverfügbarkeit) müssen Anforderungen an die Ausstattung und Gestaltung der Standorte definiert sein (z.B. Optionen für die Verkehrsführung, mögliche physische Barriere im Hinblick auf Reservierbarkeit)
Studie zur Reservierbarkeit Durchführung einer Studie zu technischen Optionen, die die Verfügbarkeit von Ladeplätzen verlässlicher machen (z.B. Reservierungs- oder Parkleitsysteme, dynamische Einbindung von Fahrzeugdaten)
Abgleich Anforderungen LSV/AFIR Gewollte Anforderungen an die Standortausstattung sollten mit den Vorgaben der deutschen Ladesäulenverordnung (LSV) und der europäischen „Alternative Fuels Infrastructure Regulation“ (AFIR) kompatibel sein (u.a. Bezahlsystem)
User Journey entwickeln Aufbauend auf der „Use-Case-Landschaft“ (vgl. Themenfeld 1 „Bedarfsplanung“) mit Hilfe einer sogenannten „User Journey“ den Ladeprozess bei Nutzfahrzeugen aus Sicht der Fahrerinnen und Fahrer veranschaulichen
Analyse Technik zur Optimierung Flächennutzung Analyse technischer Maßnahmen wie Telematik oder Ladebrücken als Möglichkeit die Nutzung bestehender Flächen zu optimieren
Musterlayout für Standorttypen Erstellung von Musterlayouts für verschiedene Standorttypen (Neubau Rastanlage, Umbau Rastanlagen, Autohöfe, sonstige autobahnnahe Flächen) unter Berücksichtigung von Übernacht- (CCS) und Spontanladen (MCS) für Flächenakquise und Planung Überarbeitung ERS Bei der aktuellen Überarbeitung der Empfehlung für Rastanlagen an Straßen (ERS) durch die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) Ladeinfrastruktur mitdenken
Bedarfsplanung LIS-Aufbau Grundlage für die Quantifizierung des Flächenbedarfes ist das Vorliegen einer Bedarfs- und Aufbauplanung für öffentliche Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge. Relevant ist hierbei auch das Verhältnis von Übernacht- (CCS), Spontanladen (MCS) und Depotladen Vertiefte Analyse Standorttypen Vertiefung der im Task-Force-Prozess begonnenen Analyse zu einzelnen Standorttypen (bewirtschaftete und unbewirtschaftete Rastanlagen, Autohöfe, sonstige autobahnnahe Flächen) unter verkehrlichen, technischen, institutionellen und rechtlichen Aspekten
Verfahren Netzanschluss vereinheitlichen Vereinheitlichung der Technischen Anschlussbedingungen (TAB) in Bezug auf die Anforderungen an den Netzanschlussnehmer (Prüfung Anpassung der Netzanschlussverordnungen). Standardisierung des konkreten Verfahrens beim Netzanschluss
Potentiale von Lademanagement und Pufferspeicher klären Analyse der Rolle von Lademanagement und Pufferspeicher und ihr Potenzial die Netzanschlussleistung zu mindern
Informationskampagne Netzbetreiber zum Aufbau LIS Bewusstsein bei den Netzbetreibern in Bezug auf die Dimension des Ladeinfrastrukturaufbaus grundsätzlich erhöhen. Etablierung eines Informations- und Beratungsangebotes für Netzbetreiber
Anreize für vorrausschauenden Netzanschluss (Bevorratung) juristisch ermöglichen und Anreize erhöhen Vor dem Hintergrund der Dimension und Dynamik des Aufbaus für Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge Anreize für vorausschauenden Netzausbau („Bevorratung“) rechtlich ermöglichen
Kommunale Genehmigungsprozesse vereinheitlichen Baugenehmigungsprozesse für den Aufbau von Ladeinfrastruktur sind zeitaufwendig und treffen auf kommunale Behörden mit unterschiedlichem Wissenstand und Vorgehen. Um Genehmigungsprozesse bei Kommunen zu vereinheitlichen, braucht es Leitfäden, Prozessbeschreibungen und standardisierte Anträge/Formulare.
Positionierung von LIS festlegen Die Positionierung der LIS am Standort muss festgelegt werden. Dafür werden Informationen der Hersteller zur Positionierung der Lademöglichkeit am Fahrzeug benötigt.
Informationskampagne/Leitfaden zu Genehmigung LIS bei Kommunen Mittels einer Informationskampagne sollen an Kommunen Beispiele und Leitfäden herangetragen werden, wie Genehmigungsprozesse erfolgreich durchgeführt werden.
Standardisierung Position Lademöglichkeit am Fahrzeug Für den Aufbau von Ladeinfrastruktur an einem Standort, muss die Positionierung des Ladeanschlusses am Fahrzeug definiert und die Gestaltung der Ladeinfrastruktur geklärt sein (z.B. Ladesäule oder Ladebrücke)

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Ausblick – Wir haben gerade erst begonnen

Mit der Task-Force Backcasting ist eine erste wichtige Grundlage für den öffentlichen Ladeinfrastrukturaufbau für E-Lkw gelegt worden. BMDV, NOW und die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur planen den nun gestarteten Prozess weiter kontinuierlich, zielstrebig und praxisnah voranzutreiben. Ausgangspunkt sind die identifizierten Handlungsbedarfe, die in einer nächsten Phase konkretisiert und bearbeitet werden. Format und zukünftige Beteiligung von Stakeholdern sind dabei abhängig vom jeweiligen Themenfeld und vom konkreten Handlungsfeld. Einen wichtigen Input werden dabei auch die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und insbesondere die praktische Erprobung im Rahmen des BMDV-geförderten Projektes „Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr“ (HoLa) liefern.

Bei Fragen und für weitere Informationen zum Task-Force-Backcasting-Prozess wenden Sie sich bitte an: ladeinfrastruktur@now-gmbh.de