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Auf einen Blick: Die Freie und Hansestadt Hamburg hat einen klaren politischen Auftrag erteilt (vgl. Hamburger Klimaplan, S. 35): Ab dem Jahr 2020 dürfen in Hamburg nur noch emissionsfrei angetriebene Busse beschafft werden. Und bis zum Jahr 2030 soll die gesamte Busflotte weitestgehend auf emissionsfreie Antriebe umgestellt sein. Das erfordert auch den Ausbau einer entsprechenden Ladeinfrastruktur.

Die Hamburger Hochbahn AG (HHA) hat aktuell ca. 1.000 Busse auf insgesamt 114 Buslinien im Einsatz. Dazu kommen die 677 Busse der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH), die auf 160 Buslinien verkehren. Die Anzahl der Fahrzeuge macht deutlich, dass es sich bei der Elektrifizierung der Busflotte sowie der Errichtung der passenden Ladeinfrastruktur um eine große Herausforderung handelt.

KONTAKT
hySOLUTIONS GmbH
Sebastian Staffetius
Tel: 040 3288 4475
Email: sebastian.staffetius@hysolutions-hamburg.de
Web: hysolutions-hamburg.de

 

Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg
Prof. Dr.-Ing. habil. Detlef Schulz
Tel: 040 6541 2757
Email: detlef.schulz@hsu-hh.de
Web: www.hsu-hh.de/ees
PARTNER
  • Hamburger Hochbahn AG, Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein AG, Helmut Schmidt-Universität, Hysolutions GmbH
FÖRDERUNG
  • Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS) des BMDV

LADEINFRASTRUKTUR:

  • EkoEnergetyka, ABB

Das Projekt

In einem Verbundprojekt haben die Hamburger Hochbahn AG und die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) jeweils einen ihrer Busbetriebshöfe auf die vollständige Elektrifizierung der darauf stationierten Busse vorbereitet. Zudem wurden auf beiden Betriebshöfen jeweils Ladeinfrastrukturkonzepte für die Versorgung größerer Teilflotten umgesetzt. Neben den jeweils umgesetzten Ladeinfrastrukturkonzepten unterscheiden sich die Vorhaben auch dahingehend, dass der HOCHBAHN-Betriebshof Alsterdorf (240 Solobusse) komplett neu errichtet wurde, während es sich beim VHH-Betriebshof Bergedorf (134 Solobusse) um die Umrüstung eines bestehenden Betriebshofs handelt. Wissenschaftlich begleitet hat das Projekt die Helmut Schmidt-Universität.

Aufgrund des innovativen Charakters wurde das Vorhaben von 2017 bis 2021 als Leuchtturmprojekt im Rahmen der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie (MKS) des BMDV gefördert. Die Förderung beträgt insgesamt 8,6 Mio. Euro, bei Gesamtkosten in Höhe von 21,9 Mio. Euro. Koordiniert wurde das Förderprojekt durch die NOW GmbH. Die hySOLUTIONS GmbH hat sich für das Projektmanagement verantwortlich gezeichnet.

DER BETRIEBSHOF HAMBURG ALSTERDORF (PROJEKT DER HAMBURGER HOCHBAHN AG)

Aufgrund der benötigten Ladeleistungen wurde in Alsterdorf ein Anschluss an das 110kV-Netz umgesetzt und ein eigenes Umspannwerk dafür errichtet. Der Anschluss ist redundant ausgelegt, so dass auch bei Ausfall eines der beiden Systeme noch ausreichend elektrische Leistung zur Verfügung steht. Seit November 2018 ist das Umspannwerk in Betrieb.

Carport auf dem Betriebshof der Hochbahn | Quelle: Hochbahn 

Auf dem Gelände stehen insgesamt 6 Carports für jeweils ca. 44 Busse. In einem ersten Schritt wurde das „Carport 6“ mit insgesamt 44 Ladepunkten für 44 Busse gebaut, im Juli 2019 wurde es in Betrieb genommen. Auf dem Dach des Carports befinden sich die Ladegeräte, die für jeden Ladepunkt eine Leistung von maximal 150 kW zur Verfügung stellen können. Unter der Decke des Carports sind sogenannte Depotboxen installiert – von dort reichen die Ladekabel nach unten und versorgen die Busse mit Ladestrom. Das Carport ist für die Abstellung von Gelenkbussen gedacht, jedoch wurden zwei Spuren als Variospuren ausgerüstet, so dass sowohl Solo (12 m Länge) als auch Gelenkbusse (18 m Länge) angeschlossen werden können.

Das Konzept hat sich im praktischen Betrieb über die Laufzeit des Leuchtturmprojekts von rund 1,5 Jahren bewährt. Ein Ausbau von zwei weiteren Carports ist daher in Planung – dafür gibt es bereits eine Förderzusage durch das Bundesumweltministerium. Im Gespräch ist darüber hinaus ein Infrastruktur-Ausbau für die Versorgung von Wasserstoffbussen auf dem gleichen Betriebshof.

Mit der Elektrifizierung des Betriebshofs wird auch das Betriebshofmanagement-System (BMS) von der HOCHBAHN weiterentwickelt. Ein BMS gab es zwar schon vorher, die Anforderungen an die Disposition und Einsatzplanung von elektrischen Bussen macht die Steuerung aber um ein Vielfaches komplexer, so dass eine Erweiterung der bestehenden Software nötig wird, um die Busse möglichst effizient einsetzen zu können.

Das BMS steuert alle für den Betrieb notwendigen Parameter, um die Fahrzeuge intelligent und automatisch zu disponieren und in ihren jeweiligen Einsatz zu schicken. Es berücksichtigt dabei alle Informationen zu den Fahrzeugen und zur Ladetechnik sowie zu Abstell- und Einsatzzeiten. Das System ist jederzeit über den Ladezustand des Busses und Standort auf dem Hof informiert.

Ergänzend zum E-BMS gibt es ein Last- und Lademanagementsystem (LMS), welches die Brücke zwischen Ladetechnik und E-BMS darstellt. Diese Software überwacht z. B. die tatsächlichen Ladezustände der Busse und steuert die jeweilige Ladeleistung gemäß den Prioritäten des E-BMS. Diese Daten kommuniziert das System dann an das BMS, so dass sie in der automatischen Disposition berücksichtigt werden können. Die Kommunikation erfolgt ständig und bidirektional, so dass das Optimum für die Fahrzeuge zwischen benötigter Reichweite und geladener Batteriekapazität ermittelt werden kann. Auf diese Weise können die Fahrzeuge optimal eingesetzt werden. Nicht zuletzt überwacht das LMS die Anschlussleistung des Betriebshofes und regelt im Bedarfsfall die Leistung der Ladegeräte.

Bei der Kommunikation zwischen den Systemen bzw. Komponenten (Fahrzeug, Ladeinfrastruktur, Backend) setzt die HOCHBAHN auf Standards und Normen wie OCPP oder ISO15118.

DER BETRIEBSHOF HAMBURG BERGEDORF (PROJEKT DER VERKEHRSBETRIEBE HAMBURG-HOLSTEIN AG)

Für die Elektrifizierung des Betriebshofs Bergedorf wurde ein neues Arealnetz auf dem Hof aufgebaut. Die Übergabestation stellt dabei den Anschluss zum öffentlichen Netz her. Von dort ausgehend wurden neue Kabel verlegt, die in einem doppelten Mittelspannungsring (10 kV) über das gesamte Gelände verlaufen und das Rückgrat des Arealnetzes bilden.

Ladesäulen auf dem Betriebshof Hamburg Bergedorf | Quelle: VHH 

Der Betriebshof liegt in direkter Nähe eines Umspannwerks; für die Elektrifizierung stehen nach Erweiterung der Anschlussleistung durch den Stromnetzbetreiber nun 5,5 MWel zur Verfügung. Für weitere Ausbaustufen kann die verfügbare Leistung auf 11 MWel erhöht werden, so dass künftig bis zu 134 Elektrobusse versorgt werden können.

Die Ladeinfrastruktur für die Elektrobusse wurde modular entwickelt. Der Ausbau ist immer in Schritten von 16 E-Bussen gestaffelt. Eine sogenannte Kombistation bindet die Ladeinfrastruktur in das Arealnetz ein und beinhaltet sowohl Transformatoren als auch Wechselrichter. Die maximale Leistung an jedem Ladepunkt beträgt bis zu 150 kW.

Werden alle 16 E-Busse gleichzeitig angeschlossen, teilt sich die Leistung zwischen zwei Ladepunkten jeweils auf und alle E-Busse erhalten 75 kW. Dies ermöglicht eine hohe betriebliche Flexibilität ohne insgesamt zu große Leistungswerte installieren zu müssen. Mittlerweile sind 3 Stationen für 48 E-Busse auf dem Betriebshof Bergedorf installiert.

Die Abmessungen der Kombistationen entsprechen dabei bewusst den Maßen eines Solobusses (2,55 m x 12 m). Dadurch kann für zukünftige Ausbauten gut abgeschätzt werden, dass bei Errichtung einer Ladeinfrastruktur für 16 Busse je ein Stellplatz für die Technik weichen muss.

An dieser Art der Umsetzung zeigt sich, dass bewusst auf die Modularität der Anlage geachtet wurde, denn die Elektrifizierung des Betriebshofs soll sukzessive umgesetzt werden: Werden zukünftig weitere Elektrobusse beschafft, können nach und nach weitere Kombistationen errichtet und angeschlossen werden. Das Konzept wurde auf dem VHH Betriebshof in Norderstedt bereits ein zweites Mal erfolgreich aufgebaut. Die Interoperabilität mit Bussen der Hamburger Hochbahn ist dabei sichergestellt und die Planungen für weitere Standorte haben bereits begonnen.

Der Betriebshof Hamburg Bergedorf | Quelle: VHH 

Eine Besonderheit in Bergedorf ist ein Batteriespeicher, der gemeinsam mit der Firma MAN im Mai 2019 errichtet wurde. Ziel der Anlage ist es, Erfahrungen mit den Lebenszyklen ausgewechselter Antriebsbatterien zu sammeln, deren Kapazität bei nur noch rund 80% liegt. Die Batterien können in ihrer zweiten Lebensphase – dem sogenannten Second-Life – beispielsweise dazu dienen, Lastspitzen abzufedern und so den Netzanschluss des Betriebshofs zu entlasten, wenn viele Busse gleichzeitig geladen werden.

Um die Überlastung des Netzanschlusses zu vermeiden und die Ladezeiten der E-Busse intelligent über die Stehzeiten in der Nacht zu verteilen, ist auch in Bergedorf ein neues Lademanagement System (LMS) notwendig. Gemeinsam mit der Stromnetz Hamburg GmbH als Partner, in einer sogenannten public-public Partnership, wurde dieses System entwickelt, dass auf bestehenden Lösungen für die öffentlichen E-PKW Ladepunkte der Hansestadt Hamburg aufbaut und für E-Busse angepasst wurde.

Das Lademanagement-System kann zu jedem Zeitpunkt die Fahrzeugdaten einsehen, den Ladezustand (SOC, State of Charge) überwachen, die Ladedauer berechnen sowie den jeweiligen Ladevorgang steuern. Auch ein Vorheizen der Fahrzeuge wird über dieses System angesteuert, damit die gesamte Energie der Batterie bei Betriebsstart in die Fahrleistung der E-Busse fließen kann.

Auch in Bergedorf galt die Prämisse, dass das Lademanagement-System unabhängig vom jeweiligen Hersteller der Ladetechnik entwickelt werden soll. So kann das System auch bei zukünftigen Ausbauten auf anderen Betriebshöfen eingesetzt werden. Eine besondere Herausforderung ist die Gestaltung der Schnittstellen, um eine breite Adaptierbarkeit an verschiedene Ladetechniken und auch weitere Managementsysteme der VHH zu gewährleisten.

Wichtige Erfahrungen

  • Eine modulare Bauweise der Ladeinfrastruktur ermöglicht flexibles Wachstum und kann somit analog zum Hochlauf der elektrischen Flotte realisiert werden.
  • Die Komplexität von Elektromobilität, insbesondere der Ladevorgänge und -zeiten, braucht einen höheren Grad an Digitalisierung und entsprechende Kompetenzen der Mitarbeitenden.
  • Die Mitarbeitenden müssen in den Entwicklungsprozessen eingebunden und geschult werden.
  • Der Austausch mit anderen Nahverkehrsunternehmen oder relevanten Erfahrungsträgern ist essentiell. Dabei können die Erfahrungen anderer ausgewertet und für die eigene Umsetzung genutzt werden.
  • Im Hamburger Projekt hat sich der Austausch bei einem halbjährlichen Treffen mit allen Projektbeteiligten bewährt. So konnten Herausforderungen und Lösungsansätze gemeinsam diskutiert werden.
  • Im Rahmen der Begleitforschung wurde eine Bewertung beider Konzepte hinsichtlich Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Ausfallsicherheit und Übertragbarkeit auf andere Nutzer durchgeführt. Analyse der Auswirkungen des Last- und Lademanagements sowohl auf den Betrieb als auch auf die Netzanschlussleistung haben wertvolle Impulse für ihre tatsächliche Implementierung eingebracht.

Herausforderungen

  • Je nach Standort sind aufwändige Baumaßnahmen für die Realisierung eines leistungsfähigen Netzanschlusses notwendig. Die Ausbauarbeiten können den Projektablauf verzögern.
  • Die Wahl einer herstellerunabhängigen Steuerungs-Software bedeutet einen höheren Entwicklungsaufwand, insbesondere um die Schnittstellen anzupassen. Auf der anderen Seite bietet sie mehr Flexibilität für die Zukunft, da bei einem Wechsel der Ladetechnik nicht die komplette Software ausgetauscht werden muss.
Copyright Bilder:
Bild 1: Betriebshof der Hamburger Hochbahn / Quelle: Hochbahn
Bild 2: Carport auf dem Betriebshof der Hochbahn | Quelle: Hochbahn
Bild 3: Ladesäulen auf dem Betriebshof Hamburg Bergedorf | Quelle: VHH
Bild 4: Der Betriebshof Hamburg Bergedorf | Quelle: VHH