Hermes Germany beliefert 80 große Innenstädte bis Ende 2025 elektrisch
Welche Ziele haben Sie sich bei der Umstellung auf klimafreundliche Nutzfahrzeuge gesetzt und wie sind Sie dabei konkret vorgegangen?
Die (lokal) emissionsfreie Zustellung ist für Hermes Germany ein wichtiger Hebel, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und dadurch einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten. Daher arbeitet der Paketlogistiker kontinuierlich an der Elektrifizierung seiner Fahrzeugflotte bzw. der Umstellung auf emissionsfreie Antriebe. Als Teil der Otto Group hat sich Hermes Germany zu der Science-Based-Targets-Initiative verpflichtet, das heißt: Der Paketdienstleister verfolgt Klimaschutzziele, die am Pariser Klimaabkommen ausgerichtet sind.
Was die Letzte Meile angeht, so arbeitet Hermes Germany derzeit an dem Ziel, bis Ende 2025 in 80 großen deutschen Innenstädten ohne den lokalen Ausstoß von CO2-Emissionen zuzustellen. Mit Stand vom März 2025 wurde die Umstellung auf eine Haustürzustellung per E-Fahrzeug in 70 Innenstädten bereits erfolgreich abgeschlossen, in mehr als zehn weiteren Städten ist die Umsetzung zu diesem Zeitpunkt im Gange. Schritt für Schritt erhöht der Paketlogistiker dafür den Anteil an elektrisch betriebenen Zustellfahrzeugen, darunter Elektrotransporter sowie Lastenräder verschiedener Hersteller und Marken. Insgesamt sind für Hermes Germany im März 2025 bundesweit mehr als 1500 elektrisch betriebene Zustellfahrzeuge unterwegs, davon über 1.400 E-Transporter sowie rund 160 Cargobikes. Regelmäßig testet das Unternehmen hier neue Anbieter bzw. Modelle, die auf den Markt kommen. Mit der Elektrifizierung trägt der Paketlogistiker nicht nur einen Teil dazu bei, den direkten, lokalen CO2-Ausstoß zu verringern, sondern erhöht etwa durch weniger Geräuschemissionen auch die Lebensqualität im urbanen Raum.
Diese tiefgreifende Transformation der logistischen Prozesse auf der Letzten Meile ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen und umfasst mehr als den bloßen Austausch von Fahrzeugen. Es gilt, alle Beteiligten – sowohl im eigenen Unternehmen als auch die Servicepartner in der Paketzustellung – einzubeziehen und die Akzeptanz sowie die Bereitschaft für Veränderungen zu fördern. Da zum Teil lang etablierte Prozesse angepasst werden müssen, ist es entscheidend, grundlegendes Wissen etwa über die Vorteile der Elektromobilität zu vermitteln und die Partner bei dem Umstieg von herkömmlichen Diesel-Fahrzeugen auf elektrische Modelle zu unterstützen. Dies geschieht bei Hermes Germany auf vielfältige Weise. Beispielsweise wird die Nutzung von Ladeinfrastruktur an eigenen Standorten zu attraktiven Konditionen ermöglicht. Gleichzeitig stellt Hermes Germany umfassende Informationen über verschiedene Fahrzeuge, Anbieter und wertvolle Hinweise für den Einstieg in die E-Mobilität bereit.
Aufgrund der technisch bereits recht ausgereiften Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur steht die Letzte Meile bei Hermes Germany derzeit im Fokus. Während sich hier der batterieelektrische Antrieb etabliert hat, sind im Schwerlastverkehr über lange Distanzen noch keine flächendeckend praxistauglichen Lösungen verfügbar. Und dennoch: Auch die sukzessive Transformation des schweren Verteiler- und Zubringerverkehrs steht bei dem Paketlogistiker auf der Agenda. Hier gilt es derzeit, technologieoffen zu sein und verschiedene alternative Antriebsarten, ebenso wie Kraftstoffe, zu verproben. Nur so können Erfahrungen gesammelt werden, um Fragen zu praktischen Einsatzmöglichkeiten besser beantworten zu können und die derzeit noch vorhandenen Grenzen der Technologien zu verstehen.
Auf der Langen Strecke setzt Hermes Germany punktuell E-Lkw ein – mit Stand März 2025 sind es sechs Stück. Zusätzlich verkehrt ein Wasserstoff-Lkw seit Anfang 2024 im Rahmen eines 48-monatigen Testbetriebs zwischen zwei ausgewählten Standorten. Daneben sind auch Fahrzeuge mit anderen alternativen Kraftstoffen wie HVO100 im Einsatz, ebenso wurde Biogas in der Vergangenheit verwendet. Grundsätzlich ist bei alternativen Antriebsformen von schweren Nutzfahrzeugen noch offen, wohin die Reise geht. Die Skalierbarkeit hängt bei allen Lösungen von verschiedenen Faktoren ab, darunter technische Entwicklungen, Verfügbarkeiten, Lade- bzw. Tankinfrastrukturen sowie spezifische Einsatzanforderungen. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch auf diesem Transportabschnitt, genau wie auf der Letzten Meile, eine Technologie durchsetzen wird oder sich ein Mix aus verschiedenen Antriebsformen als Lösung erweisen kann. Die Einsatzmöglichkeiten werden maßgeblich auch von der Wirtschaftlichkeit der Fahrzeuge abhängig sein.
Welche konkreten Erkenntnisse konnten bei der Umstellung bisher gewonnen werden? Welche besonderen Herausforderungen gab es? Welche „Dos and Don’ts“ sollten andere bei der Umsetzung beachten?
- Technologie: Technisch bewähren sich die alternativ betriebenen Fahrzeuge in der Regel. Im N1-Fahrzeugklassenbereich setzt Hermes Germany bei der lokal CO2-freien Zustellung bereits verlässlich auf einen zweistelligen Prozentanteil an E-Fahrzeugen in der Flotte. Bisher eigneten sich die E-Transporter vor allem im urbanen Raum, aber mit der stetigen Erhöhung und Verlässlichkeit der Reichweiten aktueller Fahrzeuggenerationen besteht großes Potenzial für die sukzessive Umstellung auf E-Mobilität ebenso in ländlicheren Gebieten. Im N3-Bereich bewähren sich E- und Wasserstoff-Lkw ebenfalls technisch. E-Lkw zeichnen sich durch eine hohe Energieeffizienz aus, da die Energie direkt für den Antrieb genutzt wird – im Gegensatz zu den Umwandlungsverlusten beim Wasserstoff-Lkw. Außerdem bieten sie mehr Laderaum, da sie weniger Platz für die Antriebstechnologie benötigen. Brennstoffzellen-Lkw überzeugen mit höheren Reichweiten, wenngleich auch einige Modelle von E-Lkw mittlerweile Reichweiten erzielen, die mit denen von H2-Lkw vergleichbar sind. Insgesamt bleibt bei allen Technologien weitere Entwicklungsarbeit abzuwarten.
- Infrastruktur: Ein Knackpunkt bei allen Technologien bleibt die Lade- und Tank-Infrastruktur. Durch Investitionen in eigene Ladeinfrastruktur konnte Hermes Germany die Elektrifizierung der Letzten Meile bereits weit vorantreiben. Die sukzessiv zunehmende Verfügbarkeit des öffentlichen Ladenetzes unterstützt diese Transformation ebenfalls – Hemmnis ist hier jedoch die unübersichtliche Preis- und Tarifstruktur der diversen Anbieter. Im Zuge der Elektrifizierung der gesamten Letzte Meile in Hamburg hat der Paketlogistiker ein eigenes E-Mobility-Hub installiert, um diesen Meilenstein in der Hansestadt erreichen zu können – zusätzlich zur Umstellung der kompletten Letzte-Meile-Struktur. Was die schweren Nutzfahrzeuge angeht, so bestehen auch hier große Herausforderungen bei der noch begrenzten Verfügbarkeit geeigneter Ladestationen bzw. Tankstellen für alternative Kraftstoffe und dem Aufbau der entsprechenden Infrastruktur. Dies hat maßgeblich Einfluss auf die Dispositionsplanung auf langen Strecken, die dadurch erschwert wird. Wie ein E-Lkw in der logistischen Praxis eingesetzt werden kann, zeigt das Beispiel eines seit Frühjahr 2023 in und um Hamburg eingesetzten Fahrzeugs: Dieses transportiert über Nacht Zustellsendungen zwischen zwei Standorten in Norddeutschland sowie an Hamburger Zustellbasen. Geladen wird in der Zeit vor dem nächtlichen Einsatz am Hamburger Logistik-Center des Paketdienstleisters, wo eigens eine Ladestation mit 300 kW Leistung für das Fahrzeug installiert wurde – zum Vergleich: dies entspricht mehr als dem 13-Fachen der Ladeleistung einer Wallbox für E-Transporter. Auch während der Be- und Entladezeiten sowie an einer der vereinzelt öffentlich verfügbaren Lademöglichkeiten entlang der Strecke sind Ladezeiten eingeplant.
- Technologieoffenheit: Alle Technologien entwickeln sich ständig weiter, doch verschiedene Herausforderungen bleiben bestehen. Eine fortschrittliche Technologie nützt wenig ohne den entsprechenden Unterbau. Daher gilt es im Transportbereich, weiter zu testen, wie sich klimafreundliche Nutzfahrzeuge im logistischen Alltag integrieren lassen und bewähren.
- Mindset: Wichtig ist im Transformationsprozess, alle Beteiligten mitzunehmen und von dem Weg zu überzeugen, Mitarbeitende wie auch Servicepartner, mit denen Hermes Germany für die Zustellung auf der Letzten Meile zusammenarbeitet. Nicht zu vergessen ist auch: Ein effizienter Betrieb alternativ betriebener Fahrzeuge erfordert Wissen. Die Fahrweise hat hier einen deutlicheren Einfluss auf den Verbrauch als beim Verbrenner. Daher ist es elementar, dass das Fahrpersonal die neuen Technologien versteht – umfassende Einweisungen in die Bedienung der Fahrzeuge sind daher erforderlich.
- Wirtschaftlichkeit: Die Transformation der gesamten Fahrzeugflotte erfordert erhebliche Investitionen in Fahrzeuge plus Infrastruktur – das können Unternehmen nicht allein stemmen, erst recht nicht in kostensensiblen Branchen. Ohne Anschub besteht das bekannte „Henne-Ei-Problem“.
- Zukunftsausblick: Es gilt, flexibel und anpassungsfähig zu bleiben, Entwicklungen zu antizipieren, neue Erkenntnisse in die Planung mit aufzunehmen und die Strategie permanent anzupassen – insbesondere mit Blick auf die Lange Strecke ist eine höhere Planungssicherheit unerlässlich.